Info für Landwirte digital | August 2023
Herr Steinhoff, mittlerweile gibt es schon einige Haltungsform-Programme. Was versprechen Sie sich vom neuen, Westfleisch-eigenen Qualitätsfleischprogramm „Gute Haltung – Direkt von Bauern”?
Steinhoff: Wir bei Westfleisch arbeiten seit vielen Jahren mit dem Selbstverständnis einer verbindlichen, verlässlichen Qualitätspartnerschaft. Als Kupplung zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelhandel setzen wir immer wieder Akzente mit Tierwohl-Programmen auf Basis unserer Verträge mit unseren Landwirten. An dieser Stelle fügt sich unser neues, eigenes Qualitätsfleischprogramm der Haltungsform 3 optimal ein, denn jedes Programm setzt mit unterschiedlichen Teilnahme-Kriterien andere Schwerpunkte. Gemeinsam haben alle Programme, Tierwohl und Qualität für den Verbraucher sichtbar zu machen und für unsere Landwirte eine zusätzliche Wertschöpfung zu erzielen.
Aldi und Lidl wollen bereits im Frühjahr Trinkmilch der Eigenmarken sowie Frischfleisch nur noch aus den Haltungsformen 3 und 4 verkaufen. Das gilt also auch für Rindfleisch. Wie beeinflusst diese Entscheidung die Branche? Und was bedeutet sie für ITW Rind?
Steinhoff: Mit diesen Ankündigungen beschleunigen die Handelshäuser sicherlich den Haltungswechsel im Bereich Rindfleisch. Im Zuge der Umstellung bei der Milch werden perspektivisch mehr Schlachtkühe aus den höheren Haltungsformen auf den Markt kommen. Parallel dazu erwarten wir auch ein langsames Ansteigen des Angebots an Schlachtbullen. Auf diese Entwicklung sind wir also bestens vorbereitet.
Mit Blick auf ITW Rind „überspringt” der Handel sozusagen die Haltungsform 2 beim Rind. Inwieweit sich dieses Vorhaben auch in der Praxis umsetzen lässt, bleibt abzuwarten – insbesondere im Hinblick auf die für die gesamte Kette notwendigen Preisaufschläge für die höheren Haltungsbedingungen.
Was sind die Besonderheiten des Programms?
Steinhoff: Bei „Gute Haltung – Direkt von Bauern” handelt es sich um ein Programm für Rindfleisch. Neben Jungbullen, für die es verschiedene Haltungsform 3-Programme gibt, haben wir dabei unseren Schwerpunkt auf Schlachtkühe gelegt. Wir schaffen damit für teilnehmende Landwirte also einen attraktiven Zusatzerlös bei Schlachtkühen über den Milcherlös hinaus. Und damit sind wir bei einer Besonderheit: Während Bullenmäster ihre Betriebe für das Programm zertifizieren müssen, werden Schlachtkühe aus Betrieben, die nach den Haltungsformprogramm QM++ - Kriterien auditiert sind, anerkannt. Mit QM++ ist also keine weitere Zertifizierung notwendig.
Können Sie einige Beispiele nennen, welche Kriterien erfüllt werden müssen?
Steinhoff: Zwar unterscheiden sich die Kriterien zwischen Milch und Fleisch in Haltungsform 3, jedoch werden die Kriterien aus den Milchprogrammen auch im Bereich Fleisch anerkannt. Dazu zählen ein größeres Platzangebot, Haltung im Laufstall mit Zugang zum Außenklima und eine gentechnikfreie Fütterung.
Wo liegen die Vorteile gegenüber anderen Qualitätsfleischprogrammen?
Steinhoff: Bei Milchkühen integrieren wir ein bestehendes Programm, so dass kein weiteres Audit nötig ist – aus unserer Sicht ein großer Vorteil. Außerdem muss bei Schlachtkühen kein Vermarktungsvertrag mit Westfleisch vorliegen, bei Jungbullen allerdings schon. Darüber hinaus sind unsere Programme höherer Haltungsformen, die wir im Auftrag des LEHs produzieren, auf einzelne Bundesländer begrenzt – Schwerpunkte liegen hier in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Unser eigenes Programm können wir dem LEH deutschlandweit anbieten und haben dadurch natürlich auch weitreichendere Vermarktungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Verbraucher können HF3-Rindfleisch bereits heute finden – wenn auch noch in eher überschaubarem Umfang. Einzelne Händler haben Teile ihres Sortimentes bereits entsprechend umgestellt. Dass bei dieser Weichenstellung für die Milch auch gleich für „Fleisch” mitgedacht und organisiert wurde, ist ein gutes Signal für die Landwirte – ebenso wie unser geplanter Aufschlag von 15 Cent je Kilogramm Schlachtgewicht für HF3-Tiere mit QM++-Audit.
Wann und wie können interessierte Landwirte mitmachen?
Steinhoff: Gestartet werden kann ab sofort. Wir haben das Programm bereits angemeldet und die Bestätigung erhalten, dass es akzeptiert und gelistet ist. Aktuell befinden wir uns in einem lebendigen Austausch mit den Molkereien. Sie sind in hohem Maße dabei, ihre Lieferstrukturen entsprechend der neuen Herausforderung zu optimieren. Der Großteil der Audits ist für die kommenden drei bis vier Monate zu erwarten, sodass sukzessive Betriebe aufgeschaltet werden können. Milchviehhaltende Betriebe, die noch nicht nach QM++ auditiert sind, aber an einer Teilnahme an dem Programm interessiert sind, können sich an ihre Molkerei wenden. Bereits nach QM++ zertifizierte Milchviehhalter können sich direkt an uns wenden – ebenso wie HF3-Bullenhalter. Bei Jungbullen gilt: Tiere aus Betrieben, die für das Haltungsformprogramm „Mehr Tierwohl – Gemeinsam für die Zukunft” auditiert sind, werden auch für unser Programm anerkannt. Bei allen anderen muss ein Audit erfolgen. Hierbei helfen wir gern weiter!
Im Programm „Gute Haltung – Direkt von Bauern” werden Schlachtkühe aus Betrieben, die nach den Haltungsformprogramm QM++-Kriterien auditiert sind, anerkannt. Bullenmäster müssen ihre Betriebe für das Qualitätsfleischprogramm auditieren lassen. Dabei gelten unter anderem folgende Kriterien:
Gewicht | Mindestfläche pro Tier |
bis 150 kg | 1,5 m² |
über 150 bis 220 kg | 2,0 m² |
über 220 bis 400 kg | 3,0 m² |
über 400 kg | 4,0 m² |
Laufstallhaltung mit ganzjährig nutzbarem Laufhof (mind. 3 m²/Tier im Laufhof)
oder
Laufstallhaltung mit Weidegang (mind. 120 Tage/6 h)
oder
Offenfrontlaufstall
Christoph Speckmann
Stv. Teamleitung Schlachtvieh-Einkauf Großvieh
Telefon: +49(0)173/5336176